Ein wunderbarer Kinderroman über andere Zeiten, Freud und Leid der Sammel-Leidenschaft und Kleinigkeiten, die das Allergrößte sein können: „Malwida sammelt“ von Karla Schneider

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Manche Bücher liegen lange Zeit ungelesen irgendwo zu Hause herum – egal, ob man sie einmal geschenkt bekommen oder sie sogar selbst erstanden hat. Weil der erste Blick auf den Einband nicht die rechte Leselust zu wecken vermag, der Titel nicht allzu verlockend klingt oder aus welchen Gründen auch immer.

Mit etwas Glück verpasst man nicht viel, wenn man ein Buch nicht liest. Es kann einem dadurch aber auch für lange Zeit eine Geschichte vorenthalten bleiben, die einen nicht mehr loslässt, wenn man endlich doch noch beginnt sie zu lesen. Bei der man sich dann wünscht, sie würde noch viele, viele Seiten mehr haben, weil sie einfach so schön ist, und bei der man sich anschließend richtiggehend ärgert, weil so ein Schatz lange Zeit unbeachtet im Regal lag.

Zu diesen Büchern, deren Titel eher unspektakulär klingen, die aber eine ganz rührende und liebevolle Geschichte enthalten, die dafür hier später fast in einem Rutsch „verschlungen“ wurden, gehörte bei der abc-mama in diesem Sommer der Roman „Malwida sammelt“ von der im Jahre 1938 in Dresden geborenen Autorin Karla Schneider.

Ein Buch, das zu Herzen geht, das einen so schnell nicht mehr loslässt, das einen in eine andere Zeit entführt, oft zum Staunen bringt und einfach so viele wunderbar fröhliche, rührende, traurige und nachdenklich stimmende Momente bereit hält.

Zum Inhalt von „Malwida sammelt“:
Dresden in der Nachkriegszeit, einer Zeit, in der nichts zu Genüge oder gar im Überfluss vorhanden ist.
Ein Widerspruch scheint es da zu sein, sich eine Sammel-Leidenschaft zuzulegen!
Alles wird schließlich gebraucht, wieder verwendet, einem neuen Zweck zugeführt, wenn es dem alten nicht mehr genügt – selbst Trauerkarten werden mehrmals benutzt, weil keine neuen in den Läden zu haben sind.

Und dennoch: Einem leidenschaftlichen Sammler gelingt es, die neunjährige Malwida mit einem „Sammel-Virus“ zu infizieren, das sie in Zukunft nicht mehr loslassen soll.
Wie der freundliche Herr Holtei ihr prophezeit hatte – Sammeln bedeutet aus Sicht des erfahrenen Sammlers unglaubliche Glücksmomente im steten Wechsel mit furchtbaren Qualen, wenn das Objekt der Begierde unerreichbar ist, „Sternenflüge und skrupellose Begierde“ -, bestimmt Malwidas Drang, ihre Postkarten-Sammlung zu vergrößern, fortan ihr Tun und Denken:
Malwida feilscht, tauscht und bittet, gibt schier Unbezahlbares für ein paar neue Postkarten her, begibt sich in brenzlige Situationen und muss schmerzlich erkennen, wozu andere fähig sein können, die der Leidenschaft des Sammelns ebenso hoffnungslos verfallen sind… .

Malwida sammelt“ ist eine authentisch erzählte Geschichte, die geprägt ist durch die vorherrschende Kargheit der Nachkriegsjahre und das, was diese mit den Menschen macht, vor allem aber durch die Hoffnung auf besseren Zeiten, Aufbruchstimmung, durch Menschlichkeit und Miteinander und den liebevollen Blick auf die scheinbar so ganz kleinen Freuden des Lebens, die unter den beschriebenen mageren Umständen das ganz, ganz große Glück bedeuten konnten.

Es ist rührend zu sehen, wie einige Kartoffeln im Dezember eingemacht werden, um dem liebsten Besuch daraus Monate später den heißgeliebten Kartoffelsalat daraus bereiten zu können. Wie Schinken-Brötchen und Bananen-Quark zu einem Festmahl werden, das das höchste Glück bedeutet. Wie Matratzenstoff und Herrenanzüge zur dringend benötigten Sommergarderobe werden. Und welch Geschenk ein Garten sein kann mit all seinen Blumendüften, seinen prächtigen Farben und allem, was in ihm wächst und gedeiht.

Verzaubert von der Geschichte sind die für einen Kinderroman recht stattlichen 336 Seiten viel zu schnell ausgelesen.
So gern hätte man noch mehr aus dem Alltag von Malwida, ihrer Mutter und ihrer Oma in ihrem uralten Häuschen erfahren! Noch mehr Besuche ihrer Tante miterlebt, die zweimal im Jahr die beschwerliche Bahnreise aufnimmt, um mal wieder so richtig frischen Wind durchs Haus zu pusten.
Und noch öfter an diesen ganz speziellen, seligen Momenten teilgehabt, in denen „Kleinigkeiten“ das größte Glück bedeuten.

An dieser Stelle ein ganz persönliches Fazit:
Wie schön wäre es doch, wenn man sich öfter mal selbst so sehr über die kleinen Dinge des Lebens freuen könnte, Alltagsgegenständen einmal so viel Bedeutung zumessen könnte, auch Kleinigkeiten nicht als selbstverständlich erachten würde und mit einer großen Portion Kreativität und Erfindergeist vieles Alte, Nutzlose, Ausrangierte zu neuem Leben erwecken könnte.
Und: Wenn auch bereits für Kinder eine zauberhafte Geschichte ist „Malwida sammelt“ ein Buch, das für Menschen jeden Alters zu empfehlen ist – ob Sammler oder (noch) nicht.

Dies und das zum Buch:
Bereits 1997 erschien das Buch unter dem Titel „Zwischen Kloppe und Glück. Oder wer sammelt, hat mehr vom Leben“, bevor es im Jahre 2009 unter dem Titel „Malwida sammelt“ in der jetzt erhältlichen Taschenbuchversion im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) erschien.

Mehr zum Buch „Malwida sammelt“ auf den Seiten des Verlags dtv inkl. umfangreicher Leseprobe zum Download und Autorenportrait.
Das für Kinder ab etwa 9 Jahre empfohlene Taschenbuch von Autorin Karla Schneider ist zum Preis von 7,95 € unter der ISBN 978-3423623827 im Buchhandel erhältlich.

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