Wenn berufstätige Eltern gefragt werden, was ihnen im Leben fehlt, antworten die meisten: Zeit. Kein Wunder, gleicht doch ihr Alltag, vor allem solange die Kinder noch im Kindergarten- oder Grundschulalter sind, oft einem exakt ausbalancierten Tanz auf der Rasierklinge. Der Tag ist vom morgendlichen Wecken der Familie bis zum Gutenachtkuss durchgetaktet, zwischen Frühstück, Kinder in die Schule schicken, zur Arbeit hetzen, nach Hause eilen, Kinder empfangen, Hausaufgaben kontrollieren, Abendessen machen und zum Zähne putzen schicken gibt es kaum zeitliche Pufferzonen.
Das Problem an der Sache: Der straffe Zeitplan der Erwachsenen deckt sich so gar nicht mit dem nicht vorhandenen Zeitempfinden der Kinder, für die Momente des Tagträumens (Erwachsene sagen „Trödeln“ dazu) essentiell sind, um die vielen neuen Eindrücke, die jeder Tag bringt, verarbeiten zu können. Dumm nur, wenn der Papa dringend zum Zug muss, während der Nachwuchs sich in aller Ruhe forscherischen Experimenten mit dem Klettverschluss am Hausschuh widmen will. Kommt es dann zusätzlich noch zu ungeplanten Ereignissen wie Kinderkrankheiten oder unerwarteten Schließtagen im Kindergarten, stürzt das ganze Zeitplanungskonzept wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Home Office: Kommt zusammen, was zusammen gehört?
Kein Wunder also, dass viele Eltern auf der Suche nach der Zeit ihre Hoffnungen auf das Konzept „Home Office“ setzen. Tatsächlich spricht aus ihrer Sicht vieles für die Heimarbeit: Wer von zuhause aus arbeitet, verliert keine wertvolle Familienzeit auf dem mitunter teuren Arbeitsweg, Staus oder Zugverspätungen verlieren ihren Schrecken. Dadurch verringern sich auch die Betreuungszeiten, die bei Kindergarten oder Hort gebucht werden müssen – und das schont nicht nur den Geldbeutel, sondern auch das schlechte Gewissen, das ständiger Begleiter vieler arbeitender Eltern ist. Auch Ausnahmesituationen wie Krankheiten lassen sich dank Home Office besser abfangen, vor allem wenn zuhause keine festen Stunden abgearbeitet werden müssen, sondern Gleitzeit-Varianten oder projektbezogene Tätigkeiten möglich sind – in dem Fall arbeitet man die durch die Betreuung der kranken Kinder fehlende Arbeitszeit halt einfach wieder rein, wenn der Nachwuchs im Bett ist. Familiäre Termine wie Arztbesuche, Elterngespräche oder Kindergartenfeste lassen sich durch die hinzugewonnene Flexibilität leichter händeln. Vor allem für arbeitende Eltern sehr junger Kinder ist das Home Office oft ein ideales Arrangement zwischen den Welten Familie und Beruf, der ihnen einen wesentlich früheren Wiedereinstieg ins Arbeitsleben ermöglicht als die Rückkehr ins Büro.
Unverzichtbar: Transparenz, klare Kommunikationsstrukturen – und ein Verbündeter im Büro
Bei aller Begeisterung über die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die die Arbeit im Home Office bietet, darf nicht vergessen werden, dass diese Arbeitsform auch einiges an Herausforderungen mit sich bringt. Die größte ist die Organisation mit den Kollegen vor Ort: Wer nicht mehr im Büro sitzt, kann nicht an spontanen Besprechungen teilnehmen und sich nicht per Zuruf durchs Büro mit anderen Mitarbeitern absprechen. Auch den inoffiziellen Flurfunk des Unternehmens, jenes informationsreiche Getratsche in der Kaffeeküche, bekommt der Heimarbeiter nicht mehr mit. Er ist faktisch von den klassischen Kommunikationswegen, die trotz E-Mail-Absprachen, Kollaborationstools und Video-Konferenzen immer noch den Alltag der meisten Unternehmen bestimmen, ausgeschlossen. Dieser Mangel kann nur durch erhöhte Aufwände ausgeglichen werden – und der Heimarbeiter ist dabei maßgeblich von der Kooperation seiner Kollegen im Büro abhängig. Nur wenn klar festgelegt ist, wie und durch wen ein Home-Office-Mitarbeiter über welche Informationen ins Bild gesetzt wird, bleibt er Teil des Teams. Es ist ratsam, sich mit diesem Vor-Ort-Informanten gut zu stellen; ein Verbündeter im Büro erleichtert die Arbeit im Home Office erheblich.
Umgekehrt bedeutet die höhere Flexibilität und Selbstbestimmung, die arbeitende Eltern im Home Office genießen, auch, dass sie für ihre eigene Arbeit mehr Verantwortung übernehmen müssen. Sie müssen ihre Arbeitsstunden so organisieren, dass sie alle ihnen obliegenden Aufgaben rechtzeitig erledigen – auch ohne, dass ihnen Chef und Kollegen ständig über die Schulter schauen. Das erfordert ein gerüttelt Maß an Selbstdisziplin und Selbstorganisation, was so mancher Heimarbeiter zu Anfang unterschätzt. Und auch die Home Office-Mitarbeiter haben einen Kommunikationsauftrag: Sie müssen die Kollegen und den Chef im Büro stets darüber informiert halten, was sie zuhause so treiben. So kann Missgunst und Neid von im Büro tätigen Kollegen vorgebeugt werden.
Unverzichtbar im Home Office: eine gute Arbeitsatmossphäre
Abgesehen von dem offenen Austausch mit Chef und Kollegen gilt es auch, alle technischen Voraussetzungen für das Home Office zu schaffen. Dazu gehört vor allem ein leistungsstarker Heimrechner, auf dem sämtliche Programme und Tools installiert sind, auf die der Heimarbeiter auch im Büro zugreifen könnte. Diese Rechner sollte in enger Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung des Unternehmens aufgesetzt werden – sonst scheitert das schöne Home Office-Projekt an hypersensiblen Firewalls oder auch an Datenschutzbedenken. Ebenfalls unverzichtbar: ein Kommunikationskanal, egal ob Telefon, E-Mail oder Social-Media-Kanäle, über den der Heimarbeiter stets für seine Firma erreichbar ist. Darüber hinaus sollte das Home Office eine ebenso produktive Arbeitsatmosphäre ausstrahlen wie ein Büro im Unternehmen – dazu gehört ein praktischer Schreibtisch und ein ergonomischer Bürostuhl mit verstellbarer Rückenlehne ebenso wie ein sinnvolles Ablage- und Ordnungssystem.
Fazit: Bei guter Vorbereitung ein Gewinn für viele Eltern
Der Einstieg ins Home Office braucht also mehr Planung, als viele arbeitenden Eltern zunächst vermuten; vor allem die Absprache mit dem Arbeitgeber sollte vor dem Start der Heimarbeit transparent und fair für alle Seiten geregelt werden. Sind die Modalitäten klar, bringt das Home Office vor allem Familien ein Plus an Zeit, Flexibilität und Vereinbarkeit. Und die Arbeitgeber profitieren ebenfalls: von zufriedeneren, loyalen Mitarbeitern, die ihrem Unternehmen das durch die Erlaubnis zum Home Office ausgesprochene Vertrauen mit hoher Leistungsbereitschaft zurückzahlen.
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