„Unser Kind ist so unselbstständig!“ Haben Sie diesen Satz auch schon einmal gehört von anderen Eltern? Nicht etwa von Eltern, deren Kind sich noch im Kindergarten- oder Grundschulalter befindet. Sondern das vielmehr schon längst das Teenie-Alter erreicht hat. Das gar mit großen Schritten auf das Ende seiner Schulzeit zusteuert.
Denken Sie selbst so oder ähnlich gar über Ihren Teenager? Und haben zudem schon (mehr als) einmal den Satz fallen lassen: „Ich war in deinem Alter viel selbstständiger!“? Dann stehen Sie garantiert nicht alleine da.
Doch woher kommt diese Unselbstständigkeit bei vielen – natürlich nicht allen! – Jugendlichen?
Liegt es an der eigenen Erziehung?
Oder primär an den Bedingungen, unter denen Kinder heute aufwachsen?
Oder ist es schlichtweg Charaktersache?
Die Gründe sind sicherlich vielfältig – und so verschieden wie Menschen und Familien eben sind.
Generell lässt sich jedoch sicherlich sagen: Viele Jugendliche stehen heute unter Dauerstress. Sie verbringen viele Stunden pro Woche in der Schule. Danach stehen Hausaufgaben und Lernen auf dem Programm, oft bis spät in die Abendstunden.
Dazu sollen und wollen sie Freundschaften pflegen. „In echt“ – und nicht nur mittels Messenger! Sie wollen und sollen darüber hinaus vielleicht Geld verdienen, weil das Taschengeld hinten und vorne nicht reicht. Und weil sie Erfahrungen sammeln möchten. Idealerweise engagieren sie sich außerdem sozial. Sie geben vielleicht Nachhilfe oder packen tatkräftig mit an im Gemeinde- oder Vereinsleben. Damit tun sie nicht nur anderen Gutes. Sie verbessern mitunter auch ihre Karrierechancen, indem sie neben der Schule Einsatz zeigen.
Andere zeigen Engagement über das von der Schule geforderte Maß hinaus. Sie lernen fürs Leben und investieren in ihre Zukunft, indem sie Sprachen vertiefen, an Wettbewerben teilnehmen, Instrumente lernen, Sport machen.
Das ist toll! Und da möchte man als Eltern dem eigenen Kind natürlich Last von der Schulter nehmen. Bezieht sein Bett. Räumt mal das Zimmer auf, erledigt Besorgungen. Ja, im Grunde „managt“ man sein Kind. Doch:
Nimmt man als Eltern seinem Kind womöglich zu viel ab, was eigentlich im Teenie-Alter bereits ins seinen Aufgabenbereich fallen sollte?
Ja, bestimmt. Und das sicherlich häufig all zu gern! Denn im Alltag ergeben sich mit fortschreitenden Kindesalter immer seltener Gelegenheiten, in denen man seine Fürsorge zum Ausdruck bringen kann. Wenn man berufstätig ist und die Kinder schulisch eingebunden, herrscht unter der Woche häufig stetes Kommen und Gehen. Die gemeinsame Zeit ist einfach knapp. Und am Wochenende sieht es nicht unbedingt besser aus. Dazu kommt womöglich:
Alles soll immer (ziemlich) perfekt sein?
Eine Familie zu organisieren, das erfordert heutzutage neben dem Job womöglich mehr Disziplin als je zuvor. Trotz aller Erleichterungen von Spülmaschine bis Onlineshopping. Schließlich soll das Leben schön sein, soll die „Work-Life-Balance“ stimmen. Da muss noch Zeit für vieles andere bleiben! Für Sport, Wellness, Weiterbildung, Freundschaften, Genuss, Kultur.
Da ist Effizienz gefragt! Da gilt es, die zeitlichen Aufwendungen für den Haushalt auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Das Kind in jungen Jahren da lange rumprobieren lassen, wie der Bettbezug auf die Bettdecke kommt? Oder wie man eine Schleife am Schuh bindet?
Da macht man es doch lieber schnell selbst!
Das Grundschulkind einen Kuchen backen lassen – und danach stundenlang die Küche putzen?
Da rührt man doch lieber selbst schnell den Teig und wirft den Ofen an.
Den Fünftklässler die Spülmaschine ausräumen lassen?
Wenn man danach jedes Teil suchen muss, ist der Frust größer als die Freude am aktiven Mittun des Nachwuchs.
Gewohnheiten prägen die Erziehung, doch man kann sie durchbrechen
So schleift es sich mit den Jahren ein, dass Mama und Papa stets machen. Und der Nachwuchs? Der findet es natürlich super, kaum einen Finger krumm machen zu müssen und dennoch entspannt durchs Leben zu kommen! Jahre später kann man da nicht erwarten, dass er von sich aus etwas daran ändern wird. Doch der Tag wird sicherlich kommen, an dem sich das Verwöhnen rächt. Wenn der Nachwuchs auszieht, ist er womöglich überfordert mit den kleinsten Dingen des Alltags. Er muss im wahren Leben angekommen erst einmal „nachsitzen“. Und Eltern kommen nicht so schnell aus der Rund-um-die-Uhr-zur-Stelle-Rolle heraus, wie sie sich das vielleicht vorgestellt hatten.
Zum Glück ist es jedoch selten zu spät, das Ruder noch herumzureißen und Jugendliche Lebenserfahrung sammeln zu lassen! Einige Ideen dazu? Bitte sehr.
Kleinigkeiten im Alltag
Lassen Sie Ihren Teenager
- alleine seine Post verschicken, sich über Versandtarife informieren.
- immer selbst telefonieren, wenn er beispielsweise Arzttermine vereinbaren muss.
- selbst Praktika organisieren, E-Mails formulieren, sich über Ausbildungen und Studiengänge informieren.
- herausfinden, was es rund ums Thema Führerschein zu wissen gilt.
- Trainings absagen, Musikstunden verlegen, Bahnverbindung heraussuchen.
- Schulbücher und andere Schulsachen künftig selber kaufen.
- seine Finanzen selbst managen, mithilfe eines eigenen Kontos und eventuell Onlinebanking.
Im Haushalt
Lassen Sie Ihren Nachwuchs
- seine Wäsche sortieren, waschen, bügeln, zusammenlegen.
- Rezepte heraussuchen – und mal für die Familie kochen oder backen.
- lernen, wie man sämtliche elektrische Geräte im Haushalt bedient. Von der Programmierung des Radiosenders bis hin zu den verschiedenen Funktionen des Backofens.
- seinen Müll selbst trennen.
Basics fürs Leben unter Gleichgesinnten lernen
Kochen, Nähen – oder später als Student die eigene Steuererklärung erledigen? Will man Jugendliche motivieren, sich in ihrer Freizeit solche Fertigkeiten anzueignen? Dann muss für sie wohl der Spaß an erster Stelle stehen. Der Spaß am eigenen Tun, aber auch der, in ungezwungener Atmosphäre Gleichgesinnte zu treffen, womöglich neue Freunde zu finden. Die Freude daran, neues Wissen mit nach Hause nehmen und anwenden zu können. Tatsächlich mal fürs Leben und nicht für die Schule gelernt zu haben? Das ist doch toll und schafft Selbstbewusstsein!
Schauen und hören Sie sich um, welche Angebote es in Ihrer Nähe womöglich gibt. Oder noch besser: Lassen Sie Ihren Teenie doch selber mal schauen. Volkshochschulen und andere Anbieter können Anlaufstellen für passende Workshops und Kurse sein.
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