Oft wird beklagt, Kinder und Jugendliche von heute wären im Vergleich zu Gleichaltrigen früherer Zeiten zu unselbstständig geworden.
Völlig verloren, wenn es darum geht, einfachste Handgriffe zu erledigen, mit denen die Generationen vor ihnen ganz selbstverständlich und zum Teil bereits seit Kindesbeinen vertraut waren.
Gänzlich verlassen, wenn es beispielsweise Gemüse zu putzen gilt, die Wäsche so sortiert werden soll, dass nach dem Waschgang keine unliebsamen Überraschungen aus der Trommel zutage kommen, oder wenn unbequeme Konflikte mit anderen selbstständig zu lösen sind.
Die Ursachen dessen?
Liegen im Grunde doch auf der Hand: Schlichtweg zu viel wird so manch einem Kind vom zarten Alter bis in die Pubertät hinein abgenommen, bevor es überhaupt einen Versuch starten kann, seine Fähigkeiten in Sachen Alltag zu trainieren oder gar unter Beweis zu stellen.
Und die Gründe dafür?
Sie sind sicherlich vielfältig:
- Vielleicht ist es die Sorge, dass das Kind beim Umgang mit potentiell „gefährlichem“ Alltagsgerät („Messer, Gabel, Schere, Licht…“) Verletzungen davon tragen könnte?
- Vielleicht ist es die Ungeduld über das kindliche Selbermachenwollen („Gib mal her, ich mach das schnell(er) selbst…!“)?
- Vielleicht die (zu) gute Absicht, dass das Kind sich nicht noch mit zeitraubenden Alltagsdingen herum plagen soll, da es doch ohnehin eh schon ein ordentliches Pensum mit Schule, Hausaufgaben, Hobbys zu erfüllen hat?
- Vielleicht ist es auch das leise, schlechte, elterliche Gewissen, das dafür sorgt, dass man so viel für den Nachwuchs tun möchte wie eben möglich, wo man sich neben Beruf, Geschwisterkindern, eigenen Interesse etc. im Grund nie so viel Zeit für das eine Kind nehmen kann, wie man es eigentlich gerne würde?
- Vielleicht ist es die Unlust auf Zoff im Haus, die die raren, kostbaren Familienstunden stören könnte? Wer als Mama oder Papa eigenhändig und stillschweigend die schmutzige Wäsche aus den Kinderzimmern sammelt und dabei gleich die Räuberhöhle wieder in Schuss bringt, kann sich zwar keines Danks sicher sein, aber immerhin der Tatsache, dass das Thema nicht zum Zankapfel wird!
Die Folgen?
Natürlich muss man sich nicht gleich die Zukunft des Kindes als „ewig hilfloses Wesen“ ganz schwarz ausmalen.
Spätestens, wenn die Kinder irgendwann das elterliche Nest verlassen, werden sie zwar sicherlich vieles nachholen (müssen).
Aber Not macht dabei bekanntlich erfinderisch und gute Ratschläge und Anleitungen zu jedem Themengebiet, von der Zubereitung eines einfachen Pfannkuchens bis hin zu kniffeligeren Angelegenheiten wie dem Wechsel eines Rollladengurts, gibt es nicht nur Internet, sondern sicherlich auch von lebenserprobteren Freunden und Bekannten.
Als Eltern wird man dazu gewiss länger gebraucht werden als jene von sehr selbstständigen Kindern. Vielleicht wird man sich gar ewig in der Verantwortung fühlen, Versäumtes nachzuholen, und sich außerdem mit den Konsequenzen arrangieren müssen:
Anstatt sich eines Tages zu Besuch in der Wohnung von Sohn oder Tochter an einen gedeckten Tisch samt gekochtem Menü und hausgebackenem Kuchen setzen zu können, findet man sich vielleicht selbst am Herd und Backofen wieder, sofern es nicht die Pizza vom Lieferservice und der Kuchen aus dem Supermarkt sein sollen.
Und der Ruf nach Mama oder Papa wird immer mal wieder laut werden, beispielsweise wenn es einen Eisschrank abzutauen oder ein Fenster streifenfrei zu putzen gilt, wenn ein Geschenk schön verpackt oder ein Knopf fachmännisch angenäht werden soll, wenn etwas repariert oder renoviert werden muss.
Was man (früh) kann, das kann man!
Lassen Sie Kinder daher nicht außen vor, sondern beziehen Sie sie möglichst früh und oft in Ihr Alltagsgeschehen mit ein, nehmen Sie den Nachwuchs stets altersgerecht in die Pflicht und lassen Sie ihn dabei nicht nur dann Aufgaben übernehmen, wenn dieser gerade Lust dazu hat.
„Learning by doing“
Nehmen Sie sich die Zeit und bringen Sie die Geduld auf, Dinge mit Ihrem Kind zu erledigen.
Gemeinsam kochen, gärtnern, putzen, einkaufen, das Fahrrad reparieren ist vielleicht für beide Seiten nicht das ultimative Vergnügen, aber sinnvoll allemal, zumal im Familienleben nicht alles an einem Einzelnen hängen bleiben sollte!
Verteilen Sie dabei möglichst immer mal wieder andere Aufgaben. Mal holt das Kind beim Wocheneinkauf den Einkaufswagen, mal bekommt es an der Kasse das Portemonnaie zum Bezahlen, mal soll es diesen oder jenen Artikel in den Regalen finden.
Nutzen Sie idealerweise die Wochenendnachmittage oder eine andere Zeit, in der das Kind Ihnen über die Schulter schauen oder sogar mit anfassen darf, für Reparaturen und handwerkliche Tätigkeiten, denn dabei kann es sein technisches Geschick trainieren und sich praktisches Wissen aneignen, das es im Leben garantiert brauchen wird!
Nicht zu schnell eingreifen
Zuschauen, mithelfen, assistieren? Schön und gut!
Am tollsten finden Kinder jedoch, wenn sie selber tun dürfen! Und zwar alleine!
Solange keine Gefahr droht, lassen Sie Ihr Kind mal machen! Gelingt etwas nicht auf Anhieb, ist das ein guter Anreiz, das ergebnisorientierte Denken anzuwerfen, potentielle Lösungsmöglichkeiten abzuwägen und umzusetzen.
Kritisieren Sie nicht an den Ergebnissen
In der Regel macht es Kindern viel Spaß, mal ganz neue Aufgaben zu übernehmen.
Und wie es so ist im Leben: Beim ersten Versuch wird meist nicht alles perfekt!
Rümpfen Sie dann mehr oder weniger insgeheim die Nase oder finden kritische Worte, ist die Reaktion des Kindes darauf nur allzu verständlich: Der Nachwuchs wird kontern oder zumindest denken „Wenn es nicht gut genug ist: Ich reiß’ mich beim nächsten Mal nicht drum!“
Hängt die Wäsche anders auf der Leine, als Sie sie dort üblicherweise platzieren, muss das per se ja nicht schlechter sein.
Bedeutet die Variante des Nachwuchses jedoch eine deutlich längere Trockenzeit, mehr Arbeit für Sie beim späteren Sortieren oder unerwünschte Folgen für die Wäsche, gilt es, Kritik und Verbesserungsvorschläge möglichst freundlich zu verpacken, sparsam zu dosieren und auf ein Minimum zu beschränken.
Geht etwas völlig daneben (die Spiegeleier in der Pfanne erinnern an Briketts…) bedarf es hingegen vermutlich gar keinen weiteren Kommentars, damit das Kind weiß, dass da irgendetwas schief gelaufen ist…
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